PCR-Diagnostik bei Verdauungsstörungen im oberen Dünndarm

Bei Verdauungsstörungen wird zwischen harmlosen Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie der Laktoseintoleranz und Krankheiten mit Aufnahmestörungen (Malabsorption) unterschieden. Die Beschwerden wie Blähungen, Bauchkrämpfe und Durchfall können sehr ähnlich sein. Im Vergleich zu harmlosen Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommt es bei krankhaften Verdauungsstörungen zu Gewichtsverlust sowie zu einer verminderten körperlichen und/oder psychischen Leistungsfähigkeit. Die Lebensqualität kann massiv eingeschränkt sein. Häufig findet sich ein Eisen- und Vitaminmangel.

Eine krankhafte Verdauungsstörung kann den Dünn- oder Dickdarm aber auch den gesamten Verdauungstrakt betreffen. Abgesehen von einer Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse, der sogenannten exokrinen Pankreasinsuffizienz, sind die Ursachen häufig Infektionen oder eine Fehlfunktion des Immunsystems. Die Unterscheidung ist oft schwierig und erfordert in der Regel eine Magen- und Darmspiegelung mit der Entnahme von Gewebeproben. Diese Gewebeproben werden von einem spezialisierten Arzt (Pathologe) unter dem Mikroskop untersucht. Unter Berücksichtigung des endoskopischen Befundes und der Angaben zum Krankheitsverlauf lässt sich eine vorläufige Diagnose stellen. Die endgültige Diagnose ist häufig erst nach dem Ansprechen auf eine spezifische Therapie und dem weiteren Verlauf möglich. 

Bei Infektionskrankheiten muss der Keim identifiziert werden. Eine Anzucht ist oft schwierig. Die große Anzahl an Keimen und deren unterschiedliche Anzuchtbedingungen erschweren die Suche. Hier ergänzen sich die Nachweisverfahren je nach Krankheit, Krankheitsauslöser und Ort der Infektion. Im oberen Dünndarm sind Probenentnahmen zur Anzüchtung nicht hilfreich. Eine Anzucht im Brutschrank gelingt meistens nicht. Hier kommt vorzugsweise die PCR-Diagnostik zum Einsatz.

Mittlerweile stehen PCR-Methoden zum Nachweis der wichtigsten Krankheitserreger zur Verfügung. Diese Methoden haben wir an unser Verfahren zur Probenentnahme und Probenvorbereitung angepasst. Für die PCR-Diagnostik im oberen Dünndarm verwenden wir Gewebeproben des Zwölffingerdarmes. Diese werden bei einer routinemäßig durchgeführten Magenspiegelung entnommen. Weitere Gewebeproben werden von einem Pathologen unter dem Mikroskop begutachtet. Auf diese Weise lassen sich die Ursachen einer krankhaften Verdauungsstörung, einer sogenannten Malabsorption innerhalb weniger Tage herausfinden.

Beispiele für eine krankhafte Verdauungsstörung ist die bakterielle Überwucherung des Dünndarms, auch als SIBO (englisch Small Intestinal Bacterial Overgrowth) bezeichnet. Bei dieser sehr häufigen Erkrankung treten die Verdauungsbeschwerden bereits kurz nach der Nahrungsaufnahme auf bzw. verstärken sich. Hinzu kommen Aufnahmestörungen für Nährstoffe und Vitamine. Die Betroffenen fühlen sich abgeschlagen und schwach. Ursache können verschiedene Bakterien und in seltenen Fällen (z.B. bei Immunschwäche) auch Hefepilze sein. Die Keime überwuchern den oberen Dünndarm. Nährstoffe werden vergoren bevor sie aufgenommen werden können. Als Auslöser kommen Magen-Darm-Infekte, starke Schmerzmittel mit Darmlähmung oder eine frühere Darmoperation in Betracht (häufig mit Entfernung des Überganges zwischen Dick- und Dünndarm). In den beiden letzten Fällen wandern die ortsansässigen Dickdarmbakterien hoch in den Dünndarm. Im Gegensatz zum Dickdarm hat der Dünndarm keine Abwehrmechanismen gegen Keime. Ohne Therapie setzen sich die Keime im Dünndarm fest.

SIBO lässt sich mit Antibiotika behandeln. Zuvor muss die Diagnose gesichert werden. Standarddiagnostik sind Atemtests nach der Einnahme verschiedener Zuckersorten wie Milchzucker, Fruchtzucker oder Traubenzucker. Der Test dauert mindestens zwei Stunden und kann zu starken Beschwerden mit Durchfall führen. Alternativ bzw. ergänzend können wir die Überwucherung mittels PCR nachweisen. Dafür werden Gewebeproben des oberen Dünndarms während einer Magenspiegelung entnommen und auf die häufigsten Keime hin untersucht. Die Überwucherung an sich lässt sich durch die Quantifizierung von sogenannten 16S-rRNA-Genen nachweisen. Deren Menge korreliert mit der Anzahl an Bakterien unabhängig vom direkten Verursacher. Ein früher Anstieg in der PCR beweist die Überwucherung.

Abgesehen von SIBO lassen sich auch Keime nachweisen und behandeln, die zu definierten Darmerkrankungen führen. Dazu zählen die sehr häufige Lambliasis (kleine einzellige Parasiten die auch Hunde und Katzen befallen) oder der seltene Morbus Whipple. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass der Erreger Tropheryma whipplei nicht nur den Morbus Whipple verursacht, sondern sich auch häufig bei Menschen mit Reizdarmsyndrom oder SIBO findet.

Die moderne PCR-Diagnostik ermöglicht komplett neue Erkenntnisse und Einblicke in bislang unbekannte Zusammenhänge zwischen Keimen und Verdauungsstörungen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Beschwerden, die mit Gasbildung im Darm einhergehen (Blähungen, Rumoren, ggf. bis zum Durchfall), in der Regel durch Keime verursacht werden. Die Gasbildung ist nichts anderes als ein klassischer Vergärungsprozess unter den sauerstoffarmen (anaeroben) Bedingungen des Darmtraktes. Finden diese Vergärungsprozesse im Dünndarm statt, liegt immer eine behandlungsbedürftige Verdauungsstörung vor, das sogenannte Malabsorptions-Syndrom.

Die Tabelle zeigt Beispiele für die PCR-Diagnostik bei Verdauungsstörungen. Für die PCR sind 2-4 Gewebeproben des Zwölffingerdarms ausreichend. Diese werden unter sterilen Bedingungen während einer Magenspiegelung entnommen. Spezielle Risiken sind mit der Entnahme nicht verbunden. Die Magenspiegelung mit Entnahme von Zwölffingerdarmbiopsien muss bei einer unklaren Verdauungsstörung ohnehin durchgeführt werden. Sie zählt in solchen Fällen zur Standarddiagnostik.

SIBO

Eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms (SIBO) kommt sehr häufig vor und führt zu erheblichen Beschwerden.

PCR Dünndarm

Beispiele für den PCR-Nachweis von Keimen des oberen Dünndarms, die mit Beschwerden und Erkrankungen einhergehen können.